Die Überführung wurde geplant.


Zunächst die Staande-Mastroute von Stavoren nach Delfzijl. Diese Strecke über 90 sm quer durch Friesland wollten Renate und ich bewältigen. Hier sollte ein Crewwechsel stattfinden und zusammen mit zwei Freunden wollte ich dann über die Nordsee mit einigen Zwischenstationen nach Lübeck segeln. Renate  hatte keine Lust auf „Nordsee“ und wollte dann im Ziel / Heimathafen Lübeck  wieder zum Schiff kommen.


Es kam aber ganz anders.


Am 10. April 2024 wurden wir von unserem Sohn zum Schiff nach Stavoren in den Niederlanden gebracht. Nach 2 Tagen Vorbereitung legten wir ab. Es war saukalt. Mit langer Unterwäsche, beheizter Weste  und dicken Segelklamotten versuchten wir dem ganzen etwas schönes abzugewinnen.

Nicht so einfach.

Ungefähr 90 sm, (170 km) durch zum Teil engste Kanäle, unzählige Brücken, die geöffnet werden mussten, aber auch schöne Städte, wie Leuwaarden und Groningen, die uns verführten, ein oder zwei Tage zu verweilen. Auch nicht vergessen möchten wir  die kleinen idyllischen  Ortschaften in dem niederländischen Friesland , wie Heeg, Dokkum und zu guter Letzt der Zielort in den Niederlanden, Delfzijl.






Hier sollte der Crewwechsel stattfinden. Unsere Freunde Herbert und Otto sollten an Bord kommen und Renate wollte von hier nach Hause fahren.

Wir warteten auf ein Wetterfenster, indem die Überfahrt von Delfzijl außen, um Borkum herum mit Zwischenstation Norderney  und von dort nach Cuxhaven gelingen sollte.

Aber dieses Wetterfenster kam nicht. Die Einheimischen dort und erfahrene „Salzbuckel“ rieten uns dringend davon ab, bei der Wetterlage los zu segeln. Norderney bei nördlichen Winden in diesen Windstärken wäre sehr gefährlich. Wir sollten es lassen.....


Ok, wir hörten auf die Erfahrenen.


Der anreisenden Crew wurde abgesagt. Renate und ich entschlossen uns, den Mast  in Emden legen zu lassen und die Strecke nach Lübeck über Kanäle  und Flüsse zu fahren.

Vorweggenommen, ein wenig graute uns vor der Fahrt, 800 km über die Ems, den Dortmunder-Ems-Kanal, den Mittellandkanal, den Elbe-Seitenkanal, der Elbe und den Elbe-Lübeck-Kanal.

 

In Emden ging es  durch die Große Seeschleuse. Es war schrecklich. Nur mit größter Mühe gelang es uns, unsere Festmacher an den schwimmenden Plattformen, die beidseitig in der Schleuse vorhanden sind, zu befestigen. Wir bekamen es hin. Renate sprang beim ersten Mal auf dieses wahnsinnig, glitschigen Bohlenkonstrukt, was nebenbei absolut verboten war.

Schadlos erreichten wir den Seehafen von Emden.

Der Mast wurde gelegt und wir begaben uns ein paar Tage später auf die Fahrt.











Bei auflaufendem Wasser fuhren wir in die Ems, die uns mit zusätzlichen 4 Knoten zu unserer Geschwindigkeit durchs Wasser in Richtung Süden beförderte. Das hörte natürlich auf, als wir den Dortmunder-Ems-Kanal erreichten. Nach gefühlten 20 Schleusen, die jedes mal unsere volle Aufmerksamkeit verlangten, bogen wir nach einigen Tagen im „Nassen Dreieck“ in Richtung Osten in den Mittellandkanal ab. Hier war alles wesentlich entspannter,  Kaum noch Schleusen, die unser fortkommen ausbremsten.

Bis dann die Einmündung des Osnabrücker Stichkanals kam.


Mitten in der Einmündung krachte es unter unserem Schiff. Der Motor war sofort aus. Wir nutzten den Schwung des Schiffes und den günstig einfallenden Wind, um nach links zu wenden und zum Ufer zu kommen. Die dortigen Spaziergänger wurden zur Hilfe gerufen und gebeten, die zugeworfenen Leine irgendwo zu befestigen. Die meisten waren völlig überfordert. Nur eine Frau begriff, in welcher Situation wir waren. Beherzt legte sie das Tau über einen Poller und bremste  uns.

Wir waren völlig fertig.

Was war geschehen. Vermutlich waren wir über ein Stück Treibholz gefahren, was in die Schiffsschraube geraten war. Diese kurz unter der Wasseroberfläche treibenden, ca. einen Meter langen Kanthölzer, werden an den Seiten der Schiffe der Berufsschifffahrt als Abstandsstücke mit Tauen befestigt, die dann als Fender in Schleusen oder bei Anlegemanövern wirken. Diese Teile reißen irgendwann mal ab und treiben dann im Wasser umher. Wenn man jetzt wie wir,  in die Nähe eines solchen Holzes kommt, zieht die Schiffsschraube das Tau an, wickelt es auf und zieht das Holz mit ordentlich Schwung an den Schiffsboden.

Dieses alles waren zunächst nur Vermutungen.


Wir versuchten beim Wasserwirtschaftsamt , bei der Polizei und bei der Feuerwehr einen Taucher zu bekommen, der sich den Schaden ansehen und evtl. beheben könnte. Es war unmöglich.


Dann fiel uns unser Sohn ein, der vor kurzem aus Ägypten von seinem Tauchurlaub zurückgekommen ist. Vielleicht könnte er wohl in der Lage sein, uns zu helfen. Zu unserer Freude und großer Erleichterung kam er zunächst mit seinem Neoprenanzug und versuchte sein Glück. Das Wasser des Kanals war aber so dreckig, daß er in der kurzen Zeit des Luftanhaltens nicht genug sehen konnte.

Am nächsten Tag kam er  mit kompletter Ausrüstung, Pressluftflaschen und Atemgerät wieder, und konnte mit einer Säge unter dem Schiff das Tau, welches sich um die Welle und Schiffsschraube gewickelt hatte, durchsägen und den daran hängenden Holzbalken sichern.




Unsere Freude darüber war unbeschreiblich.

Die Schiffsschraube hatte er Blatt für Blatt fotografiert und abgetastet. Seiner Meinung nach war sie unbeschädigt.

Nachdem wir dem Streifenboot des Wasserwirtschaftsamt Bericht erstattet hatten, dieses erkundigte sich regelmäßig bei uns über den Fortgang unserer Panne, setzten wir unsere Fahrt fort.

Es ging weiter Richtung Osten.

Nachdem wir das Wasserstraßenkreuz in Minden mit der links liegengelassenen Schachtschleuse passiert hatten, bekamen wir einige Kilometer später Doppelrot (Sperrung der Wasserstrasse) am Kanalrand. Wir wunderten uns, und da wir kurz vorher einen Yachthafen passiert hatten, wurde gewendet und zurückgefahren.  Dort erfuhren wir, dass ein Sportbootfahrer von einem Berufsschiff erfasst, unter Wasser gedrückt wurde und der Bootsführer, der sich im Inneren des Schiffes befand, tödlich verunglückte. Die Ehefrau konnte schwimmend gerettet werden. War schon eine bedrückende Nachricht, zumal der Hafenbetreiber uns von ihm erzählte, da er dort gerade losgefahren war.


Am nächsten Morgen fuhren wir weiter, immer noch einen Klos im Bauch. Wir trafen uns dann mit alten Freunden einen Tag später in Idensen. Ein außergewöhnlicher Hafen.  Vor der schmalen und kurzen Hafeneinfahrt musste eine Telefonnummer angerufen werden, worauf sich automatisch ein Tor absenkte und die Einfahrt mit Lichtzeichen freigab.

Obwohl wir vor dem Einlaufen unseren Tiefgang mitgeteilt hatten, gab uns die Gesprächspartnerin die Zusage, es würde reichen. Passte nicht ganz, zweimal festgefahren. War aber nur Modder, nichts passiert.  Fanden dann aber noch eine etwas tiefere Stelle. Den Hafenbetreiber später auf diesen Umstand angesprochen, sagte er mit einem süffisanten Lächeln,  „sie haben bestimmt mit meiner Mutter gesprochen“

War ein schöner Abend mit unseren Freunden.



In der unmittelbaren Nähe von Peine machten wir zum Übernachten in einer Haltebucht des dortigen Ruderclub fest. Am nächsten Morgen fuhren wir zum Tanken und proviantieren  zweimal mit den Fietsen und meiner, zum Anhänger umgebauten Sackkarre, nach Peine. Es sollte erstmal ´ne Weile reichen.



Nachdem wir im „Nassen Dreieck „ vom Dortmunder-Ems-Kanal in den Mittelland-Kanal bei KM 0  abgebogen sind,  biegen wir jetzt bei Edesbüttel und KM 233 nach Norden in den Elbe-Seitenkanal ein.



Es geht an etlichen Dörfern und Städten vorbei. Zu sehen ist aber selten was. Die Lüneburger Heide mit dem landschaftstypischen Hügelgelände und bewaldet oder landwirtschaftlichen Flächen. Der Kanal mit den Uferanlagen ist auffallend gepflegt. 


Nach einigen Übernachtungen in dafür vorgesehenen Haltebuchten kommen wir zur Schleuse Uelzen.

Der Schleusenwärter gab uns freie Fahrt in die wirklich riesige Schleuse. Übrigens wurde die Kommunikation  immer von Renate , teils über Funk, teils über Handy geführt.


Als Besonderheit in dieser Schleuse war, dass wir nicht immer die Taue umlegen mussten, sondern die Festmacher an der Schleusenwand mit dem Wasserstand mit runterrutschten.  Das war auch gut so !





Wir wurden „28 Meter“ nach unten geschleust.

Ein Problem hatten wir, und das war erheblich. Wir waren das einzige Schiffchen in der Schleuse, wo eigentlich 200 Meter lange Schuber Platz haben.

Wir mussten also mit unserem Gewicht von ca. 6,5 Tonnen die Poller nach unten ziehen, wo sonst das zigfache  festmacht. Ich fürchtete um meine Klampen durch den Zug der Taue vom Schiff auf die Poller. Das Schiff wurde über Sekunden seitlich durch die Zähigkeit der Poller angehoben und z.T. aufgehängt. Ja nun, es ging ja gut, - echt beeindruckend

 


Aber auf uns wartete noch der Höhepunkt. Das Schiffshebewerk Scharnebeck. Von weitem war nur ein normaler Gebäudekomplex zu sehen. Auffällig war, dass hinter diesem Gebäude keine Landschaft oder Bäume zu sehen waren. Wir mussten wegen Wartungsarbeiten im Schleusenvorbecken eine halbe Stunde warten.

Bei grünem Licht fuhren wir hinter einem Lastkahn in die Schleuse ein. 






Die eigentliche Schleuse ist eine Wanne, die an geschätzt 50 armdicken Drahtseilen hängt.

Nachdem sich hinter uns das Schleusentor geschlossen hatte, hörte man eine Vielzahl von Riegeln und Sicherungen.



38 Meter ging es in die Tiefe. Vorbei an Straßen, Fußgängerwegen mit Menschen, die uns zuwinkten bis die Wanne auf Elbe-Niveau anhielt und uns durch das geöffnete Tor entließ.  




Es war gewaltig. Wir waren total beeindruckt.


Es ging auf die Elbe. In Schlangenlinie immer dem Tonnenstrich entlang Richtung Schleuse Lauenburg. 



Ein paar Meter nach oben und wir sind im Elbe-Lübeck-Kanal. Die gefühlt unberührte Natur, durch die dieser "kleine" Kanal verläuft, ist so idyllisch, ruhig und einfach zu fahren. Man wird von dem ersten Schleusenwärter gefragt, ob man durchfahren, also bis Lübeck fahren möchte.

Bejaht man dieses, wird man von den  Schleusenwärtern zu Schleusenwärter telefonisch weitergereicht, so dass man die 61 km und 6 Schleusen ohne Wartezeiten durchfahren kann.

Die  Tore sind immer geöffnet.

Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 10 km/h  begrenzt. Man sollte sich tunlichst daran halten. Ist man eher an der nächsten Schleuse, war man zu schnell und ein Bußgeld ist fällig.


Dann erreichen wir Lübeck







Nach gefühlt 50 Schleusen und ca. 800 km auf Flüssen, Seen und Kanälen, in den Niederlanden und in Deutschland,  eine aufregende Fahrt. Wir möchten sie nicht noch einmal machen, aber wir haben viel gesehen, erlebt und gelernt.


In unserem Hafen wird der Mast gestellt und wir richten uns ein.










Die Überfahrt vom Ijsselmeer nach Lübeck ist vorbei. Jetzt locken wieder andere Abenteuer, die mit Segeln zu beschreiben sind. Das aber in einem anderen Kapitel. 

Uns hat es Spaß gemacht, darüber zu schreiben. Falls ihr Anregungen, Fragen oder Kritik habt, nur her damit. Fehler gefunden ? - uns per email zurückgeben. 

Nicht mit Rotstift auf den Bildschirm     




  



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